Stereo-Anwendungen brauchen eine dezidierte Objektivauswahl

Stereo-Anwendungen brauchen eine dezidierte Objektivauswahl

Stereokameras sehen die Welt in 3D, so wie wir Menschen. Somit können mit Stereokameras ausgestattete Maschinen ähnlich wie Menschen agieren und interagieren. Roboter können Gegenstände autonom ohne weitere Sensoren oder Leuchten greifen. Autonome Fahrzeuge können nicht nur Personen erkennen, die über die Straße gehen, sondern auch die Entfernung, den Abstand und die Geschwindigkeit der Personen bestimmen. Die Wahl des richtigen Objektivs bei einer Stereo-Anwendung ist viel wichtiger als bei der Einrichtung einer einzelnen Kamera, da die Position und Perspektive jeder Kamera zur anderen die Genauigkeit des Systems bestimmt. Umgebungsparameter wie die Temperatur, Bewegungen und Vibrationen müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

Wie arbeiten Stereo-Systeme?

Stereo-Systeme generieren eine 3D-Rekonstruktion aus zwei 2D-Bildern mit unterschiedlichen Perspektiven. Größtenteils bestehen die Systeme aus zwei getrennten Kameras und damit zwei Sensoren und Objektiven. Für die Auswahl dieser Objektive müssen zusätzliche Aspekte hinsichtlich der Stabilität und der Systemumgebung berücksichtigt werden. Grundsätzlich besteht eine Stereo-Kamera aus zwei ähnlichen Sensoren und Objektiven, die durch einen Abstand x – auch Grundlinie genannt – getrennt sind. Je nach Brennweite überschneiden sich die Sichtfelder der beiden Objektive bei einem Abstand y vor dem Stereo-Kamerasystem. So werden die beiden Bilder mit leicht unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen. Nachdem ein Bild eines bekannten Szenarios aufgenommen wurde, z. B. eines Testcharts für die Kalibrierung des Systems, können die folgenden Bilder zur Berechnung der Tiefeninformationen verwendet werden.

Stabile Einrichtung

Eine hoch präzise Kalibrierung kann in den meisten Fällen nur werkseitig angeboten werden, da dazu hochauflösende Testcharts notwendig sind. Nach der Kalibrierung nimmt der Algorithmus, der die Tiefeninformationen berechnet, an, dass der Abstand zwischen den beiden Kameras und deren Ausrichtung zueinander konstant bleibt.

 

Abbildung 1: Stereo-System: Der Abstand zwischen den beiden Sensoren – die sogenannte Grundlinie – und die Ausrichtung zueinander dürfen sich nicht verändern.

Ändert sich einer dieser Parameter kann die Berechnung der Tiefenwerte entweder ungenau werden, fällt eventuell sogar aus oder führt im schlimmsten Fall zu einem falschen Ergebnis. Deshalb muss die Ein- und Ausrichtung der beiden Kameras mit ihren Sensoren und Objektiven stabil gegenüber Einflüssen von außen sein. Die häufigsten Einflüsse sind die Ausdehnung und Kontraktion der unterschiedlichen Teile des Kamerasystems aufgrund von Temperaturschwankungen oder Stößen und Vibrationen.

Je nach Art und Aufgabe des Gesamtsystems sind unterschiedliche Parameter wichtiger. Beispiel: Ein Stereo-System mit einer großen Grundlinie ist anfälliger für Temperaturschwankungen, da sich das Material weiter ausdehnen kann. Dagegen werden kleinere Systeme eher an Robotern angebracht und sind somit häufiger Vibrationen ausgesetzt.

Die Hersteller von Objektiven bieten jeweils unterschiedliche Lösungen in Aufbau und Material ihrer Objektive, um diese Anforderungen zu erfüllen. Die stabile Einrichtung der Objektivfassung und der Sensoren sind Aufgabe des Kameraherstellers oder Systemintegrators. Dennoch sind eine offene Diskussion und eine präzise Anpassung aller Komponenten notwendig, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Wie das Design die Bildqualität beeinflusst

Für ein robustes Design des Objektivs muss vor allem auf die mechanische Konstruktion geachtet werden.

C-Mount-Objektive haben gewöhnlicherweise bewegliche Teile sowie eine variable Blendenöffnung und Fokussierringe. Technologisch fortgeschrittene Objektive verwenden dagegen ein Floating-System, um Stöße oder Vibrationen besser abzufangen. Fokus und Blende können normalerweise mit Feststellschrauben sicher fixiert werden. Allerdings können sich auch diese arretierten Teile je nach Aufbau des Objektivs in rauen Umgebungen „bewegen“. Unter diesen Umständen kann ein Objekt den Fokus verlieren oder aber die Blende ist beeinträchtigt. Auch wenn die Feststellschrauben einen groben Fokussierfehler oder eine grundlegende Änderung der Blende verhindern, reagieren Stereo-Systeme auch auf kleine Änderungen sehr empfindlich, die in Ein-Kamera-Lösungen noch kein Problem darstellen würden. Da einige Objektivteile in ihrer Funktion beweglich bleiben müssen, ist es nicht möglich, sie komplett am Gehäuse zu fixieren, was zu feinen Bewegungen führt. Die Stabilität hängt darüber hinaus von der Anzahl der Schrauben und den Schrauben selbst ab. Flachkopfschrauben erzielen beispielsweise aufgrund der höheren Verriegelungskraft stabilere Ergebnisse als Rändelschrauben.

 

                

 

 

 

 

 

 

Abbildung 2: In einem Standardobjektiv bewegen sich alle Elemente des Objektivs vor und zurück, während sich beim Floating-System einzelne Objektivelemente oder Gruppen von Objektivelementen zueinander bewegen. C-Mount-Objektive haben normalerweise Feststellschrauben für die Irisblende und den Fokus.

               

Unterschiedliche Objektivhersteller haben hierfür unterschiedliche Lösungen entwickelt. Eine Möglichkeit ist die Verwendung einer Feder, die auf die Elemente des Objektivs eine gewisse Kraft ausübt und diese in ihrer vorgesehenen Position hält. Das Gute an dieser Lösung ist, dass der Fokus weiterhin eingestellt werden kann und die Feder die Stöße absorbiert, während ein weniger bewegliches System tendenziell brechen würde. Diese Objektive sind stoßfest mit einer Verschiebung der optischen Achse von höchstens 10 µm* bei einer orthogonalen Beschleunigung von 10 G. In einem M12-Objektiv kann für ähnliche Ergebnisse ein Gummiring anstelle einer Feder verwendet werden.

 

Abbildung 3: Eine Feder drückt die Objektivelemente in die korrekte Position.

Eine weitere Lösung sind robuste „ruggedized“ Objektive. Die einzelnen Objektivelemente sind dort mit dem Objektiv-Körper verklebt. Für die Einstellung des Fokus wird das gesamte Objektiv-Set bewegt. Eine verriegelbare Sechskantmutter mit Klemmteil verriegelt den Fokus sicher, so dass diese Objektive einer Vibration von bis zu 10 G und Stößen von bis zu 70 G standhalten können. Die Irisblende ist fest eingestellt und hat keine beweglichen Blendenflügel. Normalerweise sind unterschiedliche Blendenöffnungen verfügbar, jedoch gibt es selbstverständlich weniger Auswahl als bei einer variablen Öffnung.

Da die meisten C-Mount-Objektive aus Glaselementen und einem Metallgehäuse bestehen, sind Temperaturschwankungen ein kleineres Problem, weil der Ausdehnungskoeffizient von Glas und Metall eine relative niedrige Temperaturabhängigkeit hat. Somit ist die Bildverarbeitung über einen breiten Temperaturbereich hinweg konstant.

Objektiv Typischer Temperaturbereich
Standard-C-Mount-Objektiv (komplett aus Glas) -10 °C – +50 °C
C-Mount-Objektiv mit erweitertem Temperaturbereich -20 °C – +60 °C (typisch)
M12-Objektiv (komplett aus Glas und Metall) 0° C – -80° C, je nach zulässiger Fokusverschiebung
M12-Objektiv (mit Kunststoffteilen) Je nach Material, Beschichtung und Temperaturgradient vs. Zeit

 

Im Gegensatz dazu sind M12- oder M8-Objektive sowie Objektive für Platinenkameras sehr oft zumindest teilweise aus Kunststoff hergestellt. Bausteile aus Kunststoff können ihre Form mit der Temperatur verändern und somit ändert sich auch die optische Leistung bei unterschiedlichen Temperaturen. Ein Kunststoffgehäuse kann sich durch Temperaturschwankungen ausdehnen oder zusammenziehen und somit das Bild schärfer oder unschärfer stellen oder die Objektivelemente im Gehäuse kippen. Eine Lösung hierfür ist Material für die Objektivfassung oder die Objektivelemente, welche diese Ausdehnung ausgleicht.

Ein Vorteil von Objektiven für Platinenkameras ist, dass sie mit einer festen Öffnung und ohne bewegliche Teile erhältlich sind. Der Fokus kann geändert werden, indem man das Objektiv in bzw. aus der Fassung dreht. Durch Kleben eines Glas-/Metallobjektivs auf eine Metallfassung erhält man damit eine einfache und doch stabile Objektiveinrichtung.

Da M12-Objektive im Vergleich zu C-Mount-Objektiven klein und leicht sind (sogar wenn sie vollständig aus Glas sind), wird der Einfluss von Stößen und Vibrationen stark reduziert.

Was bei der Herstellung wichtig ist

Obwohl die mechanische Konstruktion des Objektivs für die Nutzung in Stereo-Anwendungen eine große Rolle spielt, ist auch die Qualität von großer Bedeutung.

In einem ersten Schritt müssen alle Teile des Objektivs genau bemessen werden. Beispiel: Wenn das Objektivgehäuse zu weit und die Objektivelemente zu klein sind, bewegen sich die Elemente im Gehäuse und kippen bei der Nutzung. In einem zweiten Schritt müssen die Objektivelemente sehr genau im Gehäuse montiert werden.

Ein fixiertes, aber im Gehäuse gekipptes Objektiv führt zu einer schlechteren Bildqualität. Ein lockeres Objektiv führt ebenfalls zu einer schlechteren Bildqualität oder zu unscharfen Bildern unter Vibrationen oder bei Bewegungen des Kamerasystems.

 

Abbildung 4: Objektiv mit gekippten oder lockeren Objektivelementen (Element 2 und 4).

Nur eine exakte und qualitativ hochwertige Produktion verhindert lockere oder kipplige Objektive. Die Genauigkeit zwischen den Teilen grundlegender optischer Parameter wie Brennweite und Öffnung muss genau kontrolliert werden, da selbst nur leicht unterschiedliche Brennweiten zu ungenauen 3D-Messungen führen.

Ein gängiges Verfahren, um lockere Objektivelemente zu vermeiden, ist ein Verkleben der Elemente am Gehäuse. So werden lockere und damit bewegliche Objektivelemente bei Stößen und Vibrationen oder einfachen Bewegungen umgangen. Bei größeren Temperaturbereichen oder bezüglich der langfristigen Stabilität von Systemen kann diese Lösung allerdings auch zu Problemen führen. Verkleben ist nicht perfekt, da auch hier der Wärmeausdehnungskoeffizient des verwendeten Klebstoffes berücksichtigt werden muss. Dasselbe gilt für sein Alterungsverhalten: Es muss zum Beispiel geprüft werden, wie lange er Temperaturänderungen standhält ohne brüchig zu werden.

Praxistests innerhalb des Gesamtsystems

Neben den theoretischen Ausführungen zur Eignung und zum Aufbau ist es wichtig, die Objektive während der Prototypphase intensiv zu testen. So wird sichergestellt, dass die technischen Daten und Bedingungen erfüllt werden.

Hersteller von C-Mount-Objektiven prüfen ihre Objektive regelmäßig und teilen diese Ergebnisse entweder öffentlich oder auf Anfrage. Hersteller von Objektiven für Platinenkameras haben in vielen Fällen ebenfalls die Möglichkeit, ihre Produkte unter Stößen und Vibrationen zu prüfen. Diese Prüfungen erfolgen normalerweise auf Anfrage des Kunden und somit nach dessen Vorgaben und Forderungen. Normalerweise ist es auf Anfrage immer möglich, die Widerstandsfähigkeit eines Objektivs auf der Grundlage seiner Werte und basierend auf Erfahrungen mit dem Design einzuschätzen.

Grundlegend empfiehlt sich immer die Prüfung innerhalb des gesamten Stereo-Systems, insbesondere, wenn Stöße, Vibrationen oder Temperaturschwankungen vor Ort zu erwarten sind. Wie bereits dargelegt, können unterschiedliche Komponenten wie Objektiv- und Fassungsmaterialien untereinander agieren. Darüber hinaus können sich die Vibrationen, denen ein Objektiv in einem Kamerasystem unterliegt, stark von denen während der Prüfung des Objektivs unterscheiden, da die gesamte Kamera zum Beispiel viel schwerer ist als ein (M12-) Objektiv, oder das Gehäuse die Vibrationen des Systems verstärken oder dämpfen kann. 

Welche Faktoren sollten berücksichtigt werden?

Aufgrund des breiten Angebots an Stereo-Bildverarbeitungssystemen gibt es keine feste Faustregel. Allerdings sollten folgende Punkte bei der Auswahl beachtet werden:

  • Temperaturbereich, in dem das Stereo-System arbeiten soll;
  • Stöße und Vibrationen, die auf das Stereo-System wirken;
  • Bewegungskräfte, denen das Stereo-System ausgesetzt ist;
  • Größe des Systems, z. B. Maße der Grundlinie und Brennweite.

Sofern die Systembedingungen und die Umgebungsfaktoren überprüft sowie die Komponenten entsprechend eingekauft und getestet wurden, sollten Kamerahersteller und Systemingenieure sicher sein können, dass sich ihre Objektive für Stereo-Bildverarbeitungssysteme eignen. Da der Korrekturaufwand mit der Anzahl der Komponenten, die das Ergebnis beeinflussen, steigt, ist das Objektiv nicht nur einer der wichtigsten Teile in Ein-Kamera-Systemen: Es gewinnt bei zwei Kameras sogar an Bedeutung.

Shop-Referenzen:

Computar: Ruggedized „R“-Serie
Fujinon: „4D High Resolution Performance“, Daten zu Stößen und Vibrationen
Kowa: schwingungsdämpfende, stoßfeste „V“-Serie,
Sunex: athermalisierte Objektive

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